Gedanken zum Palmsonntag
Liebe Gemeinde, ich grüße Sie alle herzlich zum Palmsonntag!
Sie werden sich erinnern, wie wir im vergangenen Jahr gemeinsam Gottesdienst gefeiert haben und am Anfang mit Palmenzweigen in der Hand in die Kirche eingezogen sind. Eine Tradition, die wir in Deutschland, jedenfalls in evangelischen Kirchen, nicht so kennen. Mir gefällt das. Mir gefällt dieser Brauch. Er lässt diesen Sonntag im Kreise der Sonntage im Jahr besonders werden. Mit diesem Akzent wird der Sonntag deutlich unterschieden von allen andern Sonntagen im Jahr. Ich merke in diesen Tagen, wo so vieles nicht mehr stattfindet, wie wichtig es ist, dass wir in unserem Leben einen Rhythmus haben.
Wir stellen uns mit den Palmzweigen in der Hand gedanklich auch zeichenhaft zu den Jerusalemern dazu, die Jesus begrüßen. Wir sind mit Zweigen in der Hand sozusagen fast direkt dabei und überspringen die zeitliche Kluft von fast 2000 Jahren.
In der Zeit, in der ich in Rußland als Pfarrer tätig war, lernte ich einen anderen Brauch kennen. Statt der Palmenzweige, die dort (wie bei uns auch) ja nicht am Straßenrand wachsen, nehmen die Menschen Weidenzweige. Konsequenterweise heißt dann dieser Sonntag auch nicht Palm- sondern Weidensonntag. Auch in Rußland gibt es eine Prozession, aber eben mit Weidenzweigen in der Hand. Zu dieser Zeit des Jahres, haben die Zweige zwar noch keine grünen Blätter, aber schon die grauen, flauschigen Knospen, die wir Weidenkätzchen nennen. Eine sehr passende Idee, wie ich finde. Die Weidenzweige sind Zeichen eines besonderen Verständnisses des Evangeliums. Sie sind, wenn Sie so wollen, eine gelungene Übersetzung. Das, was im Evangelium gelesen wird, und wir finden die Erzählung vom Einzug nach Jerusalem ja in allen vier Evangelien der Bibel, wird auf die jeweiligen örtlichen Verhältnisse übertragen. Jesus zieht nach Jerusalem ein. Er wird begrüßt wie es einem König gebührt. Das wird auch dadurch deutlich, dass er auf einem Esel reitet, der damals als das Tier der Könige galt.
Die Menschen freuen sich, dass Jesus zu ihnen kommt. Sie verstehen erst später, dass er ein sehr, sehr anderer König ist, als sie es erwartet hatten. Es dauert gar nicht lange. Aber seine Macht, auch wenn sie ganz anders ist, als die Menschen die Machthaber ihrer (und unserer) Zeit kennen, macht trotzdem Angst. Jedenfalls denen, die Sorge darum haben, sie könnten Privilegien verlieren. Wir wissen, wie das am Ende ausgehen wird. Als Christen begrüßen wir den, der da kommt. Wir rufen, wenigstens in Gedanken “Hosanna!”- “Hilf doch!” Wir erwarten Hilfe von ihm. Hilfe in dem, was uns bedrängt, Hilfe in einer Welt, die mit Schrecken und schrecklich daran erinnert wird, dass unsere menschlichen Möglichkeiten (in diesem Falle die medizinischen) begrenzt sind. Wir vergessen das immer wieder viel zu leicht. Wir erfahren aber auch, dass die Macht der Schwachen stärker ist als wir denken mögen. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass Gesten der Mitmenschlichkeit, der Fürsorge, die Kraft der sogenannten kleinen Geste in diesen Tagen stärker als sonst sind. Wir merken, wie sehr wir auf Gemeinschaft angewiesen sind, auf Kontakte zu unseren Mitmenschen. Wir wissen, dass es allen Menschen genauso ergeht.
So wollen wir unseren König, den König der Ohnmächtigen willkommen heißen. In unserer Stadt, mit unseren Mitteln, in unserer Zeit. Er lenkt unseren Blick auf die, die so leicht übersehen werden.
Wir rufen, wie damals “Hosanna!” -”Hilf doch!” und wir rufen auch, wie die Menschen damals “Gelobt sei, der da kommt!”
Wenn Sie also keinen Palmenzweige im Hause haben, können sie auch Weidenzweige nehmen und ihr Zimmer schmücken in Erinnerung daran, dass er, Jesus der Christus zu uns kommt. Es gibt noch so viel mehr Ideen, das Evangelium in unserer Zeit, passend für unsere Situation zu leben.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Karwoche!
Ihr Pastor Friedrich Demke
Beigefügt ist noch eine Anleitung, wie man aus einem Palmenzweig ein Kreuz flechten kann. Viele unserer Gemeindeglieder wissen das sicher längst, aber eben nicht alle.